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Projekte

Nah heran, Januar 2024

Seit vielen Jahren übe ich den Blick in die Tiefe. Mit der Kamera den Maßstab des Sehens umkehren, Makrofotografie. Auf den Überblick verzichten, hinknien, stillstehen, eintauchen in die Welt, die sich hinter der bekannten Draufsicht in den Details offenbart. Staunen. Aus der Mathematik weiß ich, dass sich in jedem Zwischenraum eine neue Dimension des Seins auftut, jedes Mal voller Zauber, Überraschung und Vollständigkeit. Beim Malen entsteht eine Beziehung zu dieser anderen Welt, aus dem Staunen wird ein Entdecken, ein Analysieren, dann eine Neukomposition verbunden mit einer großen Freude an der organischen Schhönheit.

01/24, Öl, 60x80 cm.

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Borke, September 23

Beim Wandern im Wald, die Hand streift über die Haut der Bäume, die ihnen Schutz vor Kälte, Wind Sonne und Schädlingen bietet. Mich faszinieren die eingeschriebenen Streckungen, Dehnungen, Verletzungen, Verwerfungen, die daraus entstehende individuelle Schönheit.

09/23, Öl, 30 x 40 cm.

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Schichtungen, Oktober 23

Farbe: Farbschichten übereinander, transparent, semitransparent, aufgekratzt. Lasieren: Addition von Farbwirkungen. Deckend: Schichten nur durch Struktur, Dicke, physisch spürbar, ahnbar - Schichten bilden 3-dimensionale Strukturen. Verletzung der darüber liegenden Schicht macht darunterliegende Schicht sichtbar.

Erinnerungsschichten: neue Erlebnisse überschreiben vorangegangene - lasierend?

Segmentschichten: gleichartige Ablagerungen bilden Schichten. Zeit wird sichtbar - im Querschnitt.

Isolation, Schutz: Schichten verstärken Wirkung additiv.

Humus, Waldboden: eine Schicht ermöglicht die nächste, bringt sie hervor.

Lasagne, Torte: Wechsel ermöglicht charaktervolle Mischung, kein Brei sondern Strukturen, Elemente bleiben sicht- und schmeckbar, unterscheidbar

Schichten bilden Strukturen

Musik: Tonschichtung, Klangschichtung, Fundament gibt Einheit und Stabilität, jede Schicht hat Aufgabe / Funktion, zusammen entsteht eine Einheit - wie Torte

Geologie: Schichten entstehen durch Änderungen der Ablagerungsbedingungen

Eine Schichtung ist hierarchisch, es gibt ein Oben und Unten, Innen und Außen

Aufeinanderfolgende Schichten müssen unterschiedlich sein: Zeit, Material, Eigenschaften,  Bildungsbedingungen

Aquarellfarbe und Tusche 32x24 cm

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Schichtungen II, November 23

Farbe: Farbschichten übereinander, transparent, semitransparent, aufgekratzt. Lasieren: Addition von Farbwirkungen. Deckend: Schichten nur durch Struktur, Dicke, physisch spürbar, ahnbar - Schichten bilden 3-dimensionale Strukturen. Verletzung der darüber liegenden Schicht macht darunterliegende Schicht sichtbar.  Versuche mit Schichtungen Rebschwarz, Eisengallustinte, Schwarznuss und Gold.

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Rebschwarz triff HAIKU – eine Erfahrung auf zwölf quadratischen Blättern

Mit seinem Buch „Make Ink – Ein Leitfaden zur Herstellung natürlicher Tinte“ hat mich der Kanadier Jason Logan dafür begeistert, mich in Wäldern, Straßen und Stadtparks auf die Suche nach Farben zu begeben. Diese Suche ist seine große Passion. In seiner „Hexenküche“ köchelt er die Fundstücke seiner langen Spaziergänge durch Stadt und Land zu farbigen Tinten: Natur, Kultur, Alchemie und Kunst verbinden sich zu Abenteuer und Schönheit. Eines seiner Rezepte ist ein aus der Weinrebe gewonnenes Schwarz.

Wein ist assoziiert mit Farbe, der Rotwein, der das Licht im Glas glühen lässt, goldene Nasen des Gewürztraminers an der Wand des Weinglases, die schwarzen Trauben an den Reben, die Holzschnittstruktur der Reben im Schnee. Wenn sich im Spätherbst die alten Reben am Weinberg stapeln, kann man einigen neues Leben einhauchen: Im Feuer langsam zu Holzkohle verglüht, fein zerrieben, mit Gummi arabicum gebunden, entsteht ein lebendiges Schwarz. „Schwarz wohnt in den Tiefen aller Farben, dort ist seine Heimat.“ [Gaston Bacheland]. Die rebschwarze Tinte haucht dem ausgedienten Weinstock neues Leben ein. Schwarz wohnt in den Tiefen des Weines.

Die schwarze Reb-Tinte führte meinen Pinselstrich, beim Nachspüren des konkreten, aber gleichzeitig allgemeingültigen Naturaugenblicks, von dem der Haiku erzählt. Haiku - japanische Dreizeiler – sind die kürzeste lyrische Form der Weltliteratur. In der Urform ist ein Haiku auf 17 Silben begrenzt. 17 Silben, mit denen es den Meistern der Gattung gelingt, einen spontanen, konkreten Moment von Poesie zu erzeugen. Ein fein beobachteter Augenblick, eine Natursituation im Jahresverlauf, wird in die Gegenwart geholt und lässt im Gelingen eine nachvollziehbare Wahrheit, eine Stimmigkeit, sichtbar, fühlbar werden.

Ein Haiku, gelesen in Europa, hat eine lange Reise in Zeit, Raum und Kultur hinter sich. Er wirft Fragen auf, er forderte Kooperation, Nachvollzug und Fortsetzung. „Mach was aus mir – sagt der Haiku. Spiel mit mir.“[1]
Ein Quadrat, ein Haiku und rebschwarze Tinte und das Spiel konnte beginnen. Das Schwarz der Reb-Tinte granulierte zu einem Naturerlebnis mit Tiefen und Lumineszenzen, Struktur und Klarheit, Geheimnis und Gültigkeit. Es entstand eine mystisch anmutende, spontane Synthese, geboren aus zwei geographisch weit entfernten, lebendigen Traditionen. Das Rebschwarz floss zum Haiku, der Haiku verband sich mit dem lebendigen Schwarz der verglühten Rebe.

Ich durfte zusehen, zuhören, geschehen lassen. Ich entwickelte Vertrauen in die schwarze Seele der Kulturpflanze und die wahrhaftige Poesie der Haiku-Kunst, darauf, dass ihre Begegnung in einem tiefen Einklang wurzelt. Der Künstler kann zurücktreten, zum Mediator werden, wenn Kräfte wirken, die aus wertschätzender Tradition und Natur geboren wurden. Die entstandenen Blätter im Format 20 cm x 20 cm sind Zeugnisse dieser spielerischen, aber auch kraftvollen Begegnung zwischen Haiku und schwarzer Reb-Tinte, die ich erleben durfte.

 

[1] Krusche, D.:HAIKU Japanische Gedichte, München 1994, S. 7

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